Bei der Demo „Speziesismus zerschlagen!“ am 29.08.2020 gab es eine Zwischenkundgebung am Frankfurter Zoo. Dort hat Colin Goldner, der sich beim Great Ape Project vor allem für die Rechte von Menschenaffen einsetzt, eine Rede gehalten, deren Transkript hier zu lesen ist.

Ihr steht hier vor dem Frankfurter Zoo, der, begründet 1858, als Mahnmal schlechthin gilt für das, was wir als Speziesismus bezeichnen, für die Diskriminierung empfindungsfähiger Lebewesen allein aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer anderen Spezies als der des Menschen. Nicht-menschliche Lebewesen werden in Zoos ein Leben lang hinter Eisengitter und Panzerglasscheiben eingesperrt und zur Schau gestellt, beraubt all dessen, was sie und ihr Leben ausmacht, weil eine vermeintlich höherwertige Spezies – der Mensch – sich anmaßt, das zu tun. Und weshalb tut er das? Weil er es kann, weil er die Macht und Gewalt hat, es zu tun.

Bis heute gilt es als unhintergehbare, weil speziesistisch legitimierte Selbstverständlichkeit, dass Tiere für menschliche Nahrung und Kleidung unterdrückt, ausgebeutet, gequält und getötet werden, dass sie in Pharma- und sonstigen Laboren unsagbarer Folter ausgesetzt und auch hier letztlich getötet werden, dass sie von Jägern gehetzt, erschlagen oder erschossen werden, sie zu Sport und Freizeitvergnügen jedweder Sorte herhalten müssen oder zum Gaudium des Menschen in Zirkussen vorgeführt oder eben in Zoos zur Schau gestellt werden. Und das alles, weil sie nicht der Spezies „Mensch“ zugehören.

Der Kampf gegen den Speziesismus ist Teil eines Entwicklungsverlaufes innerhalb der europäischen Geistes- oder Kulturgeschichte, wie er zu Beginn des 18.Jhdts unter dem Begriff „Aufklärung“ einsetzte. Zentrales Projekt der Aufklärung war die Gleichstellung aller Menschen – brotherhood of men – mit Blick vor allem auf die Abschaffung der Sklaverei in den überseeischen Kolonien, die, basierend auf der rassistischen Vorstellung einer Höher- bzw Minderwertigkeit von Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe oder Herkunft Unterdrückung und Ausbeutung von Menschen durch Menschen legitimierte: Weiße wurde als höherwertig erachtet als Schwarze, Europäer höherwertig als Afrikaner usw., denen sogar bestritten wurde, dass es sich bei ihnen um Menschen handle.

Auch wenn das Projekt der Überwindung des Rassismus, einschließlich des Nationalismus und religiösen Überlegenheitswahns, bei Weitem nicht abgeschlossen ist, ganz im Gegenteil, erweiterte sich das Projekt der Aufklärung gute 150 Jahre nach Kant, Lessing und Voltaire um den Kampf zur Überwindung von Diskriminierung aufgrund des falschen Geschlechts, sprich die Diskriminierung von Frauen durch Männer, die Überwindung also des Sexismus.

Und wiederum knappe 150 Jahre später ist die Zeit gekommen, das Projekt Aufklärung erneut zu erweitern, um den Kampf zur Überwindung des Speziesismus, der andere empfindungsfähige Wesen diskriminiert aufgrund des Umstandes, dass sie nicht Angehörige der Spezies Homo sapiens sind, sondern anderen Spezies zugehören, sprich: vier Beine haben oder Flügel statt Arme oder Flossen, dass sie ein Fell haben oder Gefieder oder Schuppen statt nackter Haut.

In der deutschsprachigen Literatur wird der englische Begriff „speziesism“ oftmals übersetzt mit „Artenarroganz“, waS wesentlich zu kurz greift: es geht nicht um eine Überheblichkeitsallüre, sondern um die darauf hergeleitete Legitimation, nicht-menschliche Lebewesen nach Gutdünken und Willkür zu unterdrücken und auszubeuten, ja ihnen ein eigenständiges Lebensrecht abzusprechen. Wer nicht der Spezies Homo sapiens angehört, über den kann der Mensch nach Belieben verfügen, wie dies beispielsweise und beispielgebend in Zoos gemacht wird, in denen nicht-menschliche Tiere zum Vergnügen der menschlichen hinter Eisengittern, Panzerglasscheiben und stromführenden Zäunen eingesperrt und zur Schau gestellt werden. Lebenslänglich.

Zoos sind insofern primäre Konditionierungseinrichtungen. Schon kleine Kinder lernen hier, dass es völlig normal und richtig ist, Tiere zu Unterhaltungs- und sonstigen Zwecken zu nutzen. Wir, die Menschen auf der einen Seite, sie, die anderen, die Tiere, eingesperrt auf der anderen. Zoos bereiten insofern den Boden für jede andere Form speziesistisch legitimierter Unterdrückung und Ausbeutung nicht-menschlicher Tiere.

Zoos gehören abgeschafft, genauso wie auch die Menschenschauen abgeschafft wurden, die seit dem ausgehenden 19. Jhdt und bis herauf in die 1930er in vielen Zoos, auch hier in Frankfurt, veranstaltet wurden. Sogenannte „Wilde“ wurden aus allen Teilen der Welt importiert und zur Schau gestellt, bevorzugt aus Äthiopien, aus Somalia, dem Sudan und anderen als „rückständig“ geltenden Ländern und Kulturen. Letztlich fanden mehr als sechzig derart kulturchauvinistischer „Völkerschauen“ in deutschen Zoos statt, die meisten davon waren unverhohlen rassistisch. Die ganze Präsentation der sogenannten „Wilden“ war darauf angelegt, die Überlegenheit des zivilisierten und christianisierten „weißen Mannes“ herauszustellen.

Rassismus und Speziesismus wachsen auf einem Holz, was nirgendwo deutlicher wird, als in der Geschichte der Zoos, auch und insbesondere des Frankfurter Zoos, dessen erster Nachkriegsdirektor Bernhard Grzimek, Säulenheiliger des deutschen Zoowesens, seine Führungsposition im NS-Staat ebenso verheimlichte bzw ein Leben lang abstritt, wie seine langjährige Mitgliedschaft in SA und NSDAP. In anderen Worten: Ihr steht gerade auf einem öffentlichen Platz mitten in Frankfurt, der nach einem Rassisten, Speziesisten und Nazi-Funktionär benannt ist.

Rassismus, Nationalismus, religiöser Superioritätsfanatismus, Sexismus und letztlich auch Speziesismus wachsen auf einem Holz. Auf einem faulen, modrigen Holz, um genau zu sein. Weg damit, auf die Müllhalde der Geschichte.

Danke, dass ihr hierhergekommen seid, all denen eine Stimme zu geben, die unterdrückt, ausgebeutet und gequält werden allein deshalb, weil sie nicht der Spezies „Mensch“ zugehören.